Minimalismus
27. Juli 2013

Wir sind alle käuflich

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Und wir geben uns mit den Brotkrumen zufrieden.

In Gesprächen fällt mir manchmal auf, dass es eine verheerende Diskrepanz gibt zwischen der Denkweise von Unternehmen und anderen Institutionen und den Bürgern.

Unternehmen, Institutionen und ihre Lobbyisten schauen ausschließlich auf ihren eigenen Vorteil und versuchen die Politik dahingehend zu beeinflussen. Dabei kommen dann Dinge raus wie Urheberrechte, die weit über den Tod des Urhebers hinaus noch verwertbar sein können, was zu einer künstlichen Verknappung an z. B. Wissen führt (Studie dazu).

Fragt man dann aber Wähler, warum sie so abstimmen, wie sie es tun, dann kommen allerhand Erklärungen, die für mich unheimlich klingen wie die Argumente, die Lobbyisten und ihre Handpuppen in den Talkshows vom Stapel lassen. Es wird eben nicht der eigene Vorteil bedacht, sondern es wird vermeintlich berücksichtigt, was das zum Beispiel für gewisse Branchen bedeuten würde oder Ähnliches.

Die Bürger haben die schwachsinnigen Argumente auswendig gelernt, wie „Wenn wir einen menschenwürdigen Mindestlohn einführen gehen die Konzerne woanders hin!“. Da stocken sie den Lohn doch lieber über ihr Steuergeld auf oder wählen gleich „Schwarz-Geld“.

Wir sind anscheinend medial inzwischen so erzogen, dass uns das vermeintliche Wohl bestimmter Wirtschaftsbereiche oder bestimmte „Vorteile“ wie der „Schutz vor Terrorismus“ (der nachweislich nicht funktioniert) über unser eigenes und sogar unsere eigene Würde geht. Eine äußerst bedenkliche Entwicklung.

Wir benehmen uns wie jemand, der Anteile an einem Unternehmen gekauft hat, das eigentlich moralisch verwerflich handelt, ihm es aber egal ist, denn er fürchtet eine womöglich negative Veränderung mehr als er sich am moralischen Mangel stört. Denn in erster Linie will er Geld. Nur wenn ihm garantiert wird, dass er mindestens das gleiche Geld bekommt, auch wenn das Unternehmen in Zukunft seinen Profit durch Windkraft statt durch Atommüllproduktion macht, erst dann wird er dem zustimmen.

Spätestens wenn es an den eigenen Geldbeutel geht, werden Linke (Mindestlohn) oder Piraten (bedingungsloses Grundeinkommen) nicht mehr deshalb nicht gewählt, weil sie die Überwachung abschaffen wollen, sondern es werden die Etablierten gewählt, wissend, dass sie nichts taugen, aber man einfach nicht einsieht, dass Linke oder Piraten Geld umverteilen wollen an Leute, die „nicht bereit sind zu arbeiten“, oder wenn sich abzeichnet, dass man für die Finanzierung eines besseren Sozialsystems ein bisschen mehr Steuern zahlen müsste.

An dieser minimalen Umverteilung stören sich die Leute. Die Leute wählen mit dem Geldbeutel, nicht nach ihren Idealen. Man könnte sagen: Ideale ja, aber nur wenn’s nix kostet.

Ich denke das liegt daran, dass das ein Bereich ist, indem das bisschen Macht, das den Wählern noch verblieben ist, genau hier eingesetzt wird, eben weil er so vernachlässigbar klein ist im Vergleich zur Wirtschaft. Denn etwas gegen die große Umverteilung hin zu den Großkonzernen zu tun, die kaum bis keine Steuern zahlen, obwohl sie im Verhältnis (überspitzt ausgedrückt, durch Automatisierung, Outsourcing und Ähnliches) wahrscheinlich noch weniger arbeiten als jeder Arbeitslose, da fühlen sich die Leute ohnmächtig.

Die Leute hassen dieses System, aber solange sie nur minimal Teil davon sind und das Gefühl haben von ihm ernährt zu werden, werden sie aus Angst vor Veränderung nicht dagegen abstimmen.

Die Wähler stecken in einem Dilemma, denn die etablierten Parteien sind Handpuppen der Großkonzerne. Sie machen Wirtschaftspolitik. Gleichzeitig wollen aber die kleinen Parteien so absurde Dinge wie Mindestlohn, der den Geldbeutel der Wähler bedroht — natürlich nur den Geldbeutel derjenigen, die nicht auf einen Mindestlohn angewiesen sind, und dann wundern sie sich, warum die Linke als Partei der Arbeitslosen gilt und angeblich nur von solchen gewählt wird.

So schreibt auch Ulrike Herrmann in ihrem Buch „Hurra, wir dürfen zahlen“, dass sich die Mittelschicht für wohlhabender hält als sie tatsächlich ist und deshalb regelmäßig gegen ihre eigenen Interessen stimmt.

 

Über den Autor
Alexander Rubenbauer ist Psychologe (M. Sc.) und Psychologischer Psychotherapeut. Er bietet Psychotherapie sowohl persönlich in Herrieden bei Ansbach als auch über das Internet an. Er ist per E-Mail erreichbar.

 

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