Minimalismus
22. Juni 2014

Das perfekte Wirtschaftssystem?

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Wenn nicht die Philosophen in den Staaten Könige werden oder die Könige, wie sie heute heißen, und Herrscher echte und gute Philosophen und wenn nicht in eine Hand zusammenfallen politische Macht und Philosophie, gibt es […] kein Ende des Unheils für die Staaten, ja, nicht einmal im ganzen Menschengeschlecht. —Sokrates

Letztens habe ich einen Spruch gelesen, wo jemand fragte: Was ist das für eine Gesellschaft, die viel mehr in ihr Äußeres als in ihre Bildung investiert? Anders gefragt: Was ist das für eine Gesellschaft, die sich mehr über Konsum als über Bildung definiert?

Ganz einfach: Das ist systembedingt. Je weniger Bildung man hat, desto mehr Konsum braucht man, um sich zu definieren. Und um überhaupt auf die Frage zu kommen, ob dieses Maß an Konsum eigentlich noch sinnvoll ist und ob man sich darüber überhaupt definieren kann und sollte, benötigt es Bildung, mehr noch, Intelligenz.

Ich aber behaupte: Wir bekommen gerade nur so viel Bildung, wie wir brauchen, um in der Wirtschaft zu funktionieren. Das ist insbesondere dann richtig, wenn man betrachtet, dass wir schon in einem Alter – unter Androhung von Sanktionen – ins Bildungssystem gepresst werden, indem uns nach formeller Bildung noch gar kein Sinn steht. Das meiste geht also rein und fast sofort wieder raus, Vieles wohl noch nichtmal wirklich rein. Wir müssen auch gar nicht wissen, warum die Dinge so sind, wie sie sind, wir müssen nur auswendig lernen, dass sie so sind.

Und dann arbeiten wir anschließend den ganzen Tag für wenig Geld, so dass wir anschließend nicht mehr die Zeit und Muße haben für echte Bildung, wenn noch die ganze Hausarbeit ansteht und die aus Zeitmangel ohnehin minimale Beziehungspflege.

Die meisten Menschen können auch nicht einfach selbstbestimmt wesentlich weniger arbeiten, weil sie dann zu wenig Geld haben um sich einen minimalen Lebensstandard zu halten. Der Stundenlohn der meisten Menschen reicht einfach nicht aus, um zu sagen, dann arbeite ich eben ein oder zwei Tage weniger, und widme mich stattdessen Bildung und Gesellschaft. Wir sind also abhängig.

Wie könnte sich die Gesellschaft respektive die Weltbevölkerung kollektiv aus diesem Dilemma befreien?

In Artikel 1 unseres Grundgesetzes steht geschrieben:

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu
schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und
unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen
Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

… und der Gerechtigkeit in der Welt. Damit müsste eigentlich jedem Asylantrag stattgegeben werden. Dann wird aber sofort wieder gejammert wegen des Geldes. Müsste man also nicht als “Wertegemeinschaft”, die man ja plötzlich auch sein kann, wenn es um die Verteidigung des Kapitalismus geht, dafür sorgen, dass jedes Land so ein Gesetz hat, und dann die Ärmsten der Armen ein Stück vom Wohlstand partizipieren lassen — zur Not eben durch Besteuerung, Enteignung oder Umverteilung (wie man es auch immer nennen mag) der überflüssigen Abermilliarden einiger Weniger?

Natürlich gehen manche Milliardäre mit ihrem Vermögen in die Welt hinaus und starten zahlreiche Projekte. Aber warum brauchen große Teile der Weltbevölkerung diese Hilfe überhaupt? Und kann es richtig sein, dass Reiche nicht aus Pflicht für das Wohl anderer Menschen sorgen, sondern bloß aus freiem Willen, einer Neigung heraus? Denn viele tun es auch nicht.

Warum machen sich Politiker gemein mit Menschen, in deren Liga sie finanziell gesehen nicht ansatzweise spielen? Selbst einfache Arbeitnehmer, kaum im Mittelstand angekommen, fürchten schon dass “die Linken” ihr sauer verdientes Geld den “Schmarotzern” nachschieben. Man hält sich für reicher als man ist. Weil man ein Dach über dem Kopf hat, hält man sich schon für Mittelstand. Und die meisten Arbeitslosen sind unfreiwillig arbeitslos, denn niemand lässt sich freiwillig von Arbeitsamt & Co. knechten, ist freiwillig “gesellschaftlich schlecht angesehen” und wird freiwillig krank unter diesem Zustand. Erhebungen belegen das eindeutig: Menschen möchten arbeiten, selbstbestimmte Arbeit gibt der menschlichen Existenz einen Sinn, besonders natürlich Sinn-volle Arbeit, und wenn Arbeit selbstbestimmt ist, wird sie ipso facto als sinnvoll erachtet.

Ein Beispiel: Somalia ist derzeit die Hölle auf Erden. Es ist so schlimm dort, dass sich selbst Ärzte ohne Grenzen von dort zurückgezogen haben. Ich habe einmal ausgerechnet, dass wir mit dem Mehrwertsteueraufkommen einer einzigen Woche das Land Somalia theoretisch in ein — für dortige Verhältnisse — Paradies verwandeln könnten.

Was ist also mein (utopischer) Vorschlag? Wie sieht das “perfekte Wirtschaftssystem” meiner Meinung nach aus?

Schritt 1: Milliardäre enteignen und das Vermögen an die Ärmsten verteilen. Zum Beispiel die riesigen Banken, die ihren eigentlichen Existenzzweck längst ad absurdum geführt haben. Banken, die nicht mehr wissen wohin mit all der Kohle, und darum beginnen auf Lebensmittel zu spekulieren, und damit die Ärmsten noch häufiger in den Hungertod treiben. Konzerne, die für eine existentielle Grundversorgung entscheidend sind (Wasser, Strom, Krankenhäuser, Krankenversicherung, Infrastruktur wie die Bahn, etc.) muss zurück in “Staatshand”, also in Volkes Hand.

Schritt 2: Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Warum funktioniert das? Weil Menschen per se “gierig” sind. Fast alle Menschen möchten immer mehr haben. Und genau dieses Argument wird schließlich auch dafür angeführt, um zu erklären, warum der Kapitalismus doch funktioniere: weil jeder immer mehr haben will, das halte den Wirtschaftskreislauf am leben. Geht es aber um das Grundeinkommen, heißt es plötzlich, dass der Mensch doch faul sei und dann nichts mehr für sich oder andere tun würde. Heißt das konkret, dass der Mensch grundsätzlich nur knapp am Existenzminimum gehalten werden muss, damit er “funktioniert”? Und muss der Mensch darüber hinaus überhaupt funktionieren, wenn er doch existiert? Reicht die bloße menschliche Existenz nicht aus? Ist es darüber hinaus zwangsweise erforderlich, einige wenige Superreiche wie die ALDI-Brüder oder Firmen wie Amazon, die dadurch reich werden, dass sie durch ihre Marktmacht anderen nur das absolute Minimum zugestehen, noch viel reicher zu machen? Oder darf sich ein Mensch ab Sicherung seiner Existenz gesellschaftlich einbringen und sich beispielsweise um ein besseres Miteinander bemühen? Darf er noch Zeit haben zum Nachdenken oder wenn überhaupt, nur noch zum Konsumieren?

Schritt 3: Beschränkung des Maximaleinkommens. Sagen wir, maximal eine Million pro Jahr pro Individuum. Warum nicht? Bis man eine Million hat muss man schon allerhand Leute in Lohn und Brot bringen oder alternativ viel dafür stricken. Das klappt doch bisher auch. Mit den Restmillionen wird ohnehin meist nur Unsinn getrieben, siehe Lebensmittelspekulationen. Wenn Roman Abramowitsch seine Yacht volltankt, kostet das 164.000 Euro. Alles über eine Million pro Jahr wird also zu 100% versteuert und kommt damit der Allgemeinheit zu Gute. Die Folge: Die besten Straßen, die beste Umwelt, die komfortabelste Bahn, die besten Schulen, das beste Trinkwasser, der günstigste und sauberste Strom, die beste Gesundheitsvorsorge. Und was, wenn jemand Geld für eine teure Unternehmung benötigt? Kredite mit fixer Zinszahlung kann man durchaus zur Realisierung kostspieliger Vorhaben bei Menschen einsammeln, die zu viel auf der hohen Kante haben und dies gegen einen kleinen Bonus gerne für sinnvolle Projekte verleihen würden. Das Maximaleinkommen (damit meine ich den Reingewinn) von Firmen kann eventuell auch höher liegen, wegen eventueller Rücklagenbildung und so weiter. Da gilt es noch genauer darüber nachzudenken.

Schritt 4: Zinseszins verbieten. Zwar hilft bereits eine Beschränkung des Maximaleinkommens, die Motivation zur Geldhortung aufzubrechen, es hat aber dennoch wichtige mathematische und besonders staatsfiskalische Gründe, warum das sinnvoll ist. Staatsschulden sind nämlich meist de facto nicht zurückzahlbar, weil die Zinslast schneller steigt als neues Vermögen durch Steuereinnahmen gebildet werden kann, zumal diejenigen, die die meisten Steuern zahlen, gerne damit drohen, das Land zu verlassen oder gleich komplett hinterziehen. Auch hier hilft das Maximaleinkommen. Zinsen darf es gerne weiterhin geben. Wer eine bestimmte Summe verleiht, soll auch seine Belohnung dafür erhalten. Diese muss aber fix sein. Und wer hier Geschäfte macht, muss auch hier Steuern zahlen: Gruß an Amazon, Google, PayPal, Apple, Starbucks & Co.

Schritt 5: Steuern erst viel später erheben, bei wesentlich höherem Einkommen. Das dürfte besonders den Liberalen gefallen, die sich für reicher halten als sie sind. Warum ist das nötig? Weil es zur Handlung motiviert. Wenn ich von geringen Beträgen bereits einen Großteil abgeben muss komme ich nicht so schnell in die Gänge wie wenn ich erstmal alles für mich haben kann. Außerdem bremst es wirtschaftliches Wachstum, es behindert die Existenzgründung und damit Innovationen und Konkurrenz. Insbesondere in Verbindung mit all den anderen Sozialabgaben. Was ist aber nun die Folge? Eine qua Grundeinkommen gesicherte Arbeit führt zu unmittelbarer Belohnung führt zu Mehr-Wollen, und gleichzeitig zu mehr Spaß an der Arbeit was zu mehr Spaß am Leben führt und ebenfalls dazu, diese auch freiwillig ausführen zu wollen, unabhängig vom Einkommen, weil man sie schließlich genießt. Da ist es ab einem bestimmten Punkt auch egal, ob man noch dafür bezahlt wird oder nicht, wenn die Arbeit an sich schon Belohnung genug ist, weil man darin aufgeht. Und ja, es gibt viele Menschen, die auch in einfachen Tätigkeiten wie Putzen eine gewisse Erfüllung finden, auch wenn sich manch Intellektueller das nicht vorstellen kann und einwendet, dass schließlich nicht jeder zum genialen Unternehmer oder Ähnlichem geboren sei.

Schritt 6: Offenlegung aller Einkommen, das heißt der Steuererklärung. Warum? Weil sich in Zukunft nicht mehr darüber definiert werden wird, wie viel jemand besitzt, weil es offenbar ziemlich leicht ist, eine Million zu verdienen, wenn man sich ansieht, dass es allein in Deutschland 892.000 Millionäre gibt, weltweit aber nur 1.400 Milliardäre. Sondern es wird sich darüber definiert werden, wer wie viel für die Gemeinschaft “spendet”, also über die 100%-Steuerabgabe hinaus freiwillig erwirtschaftet, obwohl er es gar nicht mehr müsste. Denn Status ist auch etwas, wonach ein Mensch grundsätzlich strebt, genauso wie sich jeder Mensch definieren und individuell von anderen durch seine Persönlichkeit und seine Leistungen abgrenzen will. So umgeht man auch, dass Menschen nur bis zur “Freimillion” arbeiten. Gleichzeitig motiviert die Offenlegung von Einkommen unter dieser Grenze wiederum dazu, nicht nur auf der faulen Haut zu liegen und das Grundeinkommen zu empfangen, sondern mehr verdienen zu wollen, als der Nachbar. Das funktioniert schließlich auch heute schon bei vielen. Und damit ist das Konzept auch abgerundet. (Bezüglich dem Schutz der Privatsphäre bei dieser Offenlegung gilt es eine angemessene Lösung zu finden.)

Schritt 7 (optional): Da wir den Zinseszins abgeschafft haben, brauchen wir auch kein künstlich aufblähbares, d. h. unbegrenzt inflationierbares Luftgeldsystem mehr, um die irrsinnige Zinseszinsakkumulation aufrechtzuerhalten. Darum können wir zu echtem Geld, welches nur begrenzt verfügbar ist, zurückkehren. Dies könnten zum Beispiel Edelmetalle sein. Da diese aber bereits ungleich verteilt sind, müsste auch hierfür zuerst eine Lösung gefunden werden.

Alle Maßnahmen müssen natürlich weltweit gelten, und warum tut man sich damit so schwer? Weil macht- und geldgeile Menschen an den Knöpfen der Macht um ihre Macht und ihr Geld bangen, den status quo beibehalten wollen, und dabei gerne in Kauf nehmen, dass die Mehrheit der Weltbevölkerung darunter leidet. Kriege gingen auch nie von der Bevölkerung aus. Es waren meines Wissens nach immer ein oder mehrere persönlichkeitsgestörte Machtgeile, die den Stein ins Rollen brachten, weil sie der Bevölkerung Krieg als Lösung für ihre hausgemachten Probleme verkaufte, im Grunde aber nur selbst an der Spitze stehen wollte.

Wir und vor allem die Medien tun so, als wären wir von Millionären und Milliardären und deren Gunst abhängig. Als gäbe es keine Idealisten. Als wäre der Mensch kein Gemeinschaftswesen. Das ist er aber, erstrecht wenn man den Konkurrenzdruck endlich rausnähme. Selbst um Bildung zu erhalten muss man heutzutage mit anderen z. B. um Studienplätze konkurrieren. Und man sieht doch allenthalben, dass Konkurrenz die Leute nur krank und asozial macht.

Den Rest dazwischen (zwischen Grundeinkommen und Maximalbesteuerung) könnte man mit einer wunderbar schlanken Regierung und ohne überflüssige Behörden wie der Bundesagentur für Arbeit wunderbar kapitalistisch nach den Prinzipien des freien Marktes (also einem unverzerrten Ausgleich von Angebot und Nachfrage) betreiben. Kleine Händler, Dienstleister und mittelständische Betriebe würden in einen fairen Wettbewerb treten, und damit natürlich auch Menschen, ohne aber um ihre Existenz bangen zu müssen, was ihnen ihre Würde und ihr Selbstbewusstsein zurückgibt und eine gesunde Risikobereitschaft stärkt.

Große Ketten und Monopolbildungen würden sich wegen der Gewinngrenze nicht länger rechnen. Darum könnten große Konzerne nie derart große Vermögen anhäufen, welche sie konkurrenzmindernd einsetzen können, z. B. indem sie innovative Neugründungen und Patente aufkaufen oder anderweitig bekämpfen.

Darüber hinaus dürften keine Trivialpatente mehr gewährt werden und Urheberrechte müssten wesentlich früher erlöschen, weil beides Innovationen bremst oder sogar erstickt. Auch sieht man, dass gesetzliche Vorschriften die Innovationskraft sogar antreiben. Firmen werden oft erst dann erfinderisch und investieren in innovative Konzepte, sobald sie müssen. Ein Beispiel: Um 70 Prozent sei der Treibstoffverbrauch von Kreuzfahrtschiffen in den letzten 20 Jahren gesunken, weil die Motoren besser geworden seien. Aber warum wurden sie besser? Weil Schutzzonen eingeführt wurden, in denen kein Schweröl mehr verbrannt werden darf. Not macht eben erfinderisch. Und wer Geld aus Geiz auf Kosten von Mensch und Umwelt verdienen will hat eben Pech gehabt. So einfach ist das.

Es besteht also gar keine Not für kommunistisch-sozialistische Gleichmacherei in der wenige Mächtige in der Regierung alles bestimmen und die restliche Bevölkerung leidet. Gleichzeitig wäre aber das aktuelle kapitalistische Ausbeutungssystem, von dem nur die Reichsten wirklich profitieren und die große Masse leidet, ebenfalls gezähmt und in gesunde Schranken verwiesen.

 

Über den Autor
Alexander Rubenbauer ist Psychologe (M. Sc.) und Psychologischer Psychotherapeut. Er bietet Psychotherapie sowohl persönlich in Herrieden bei Ansbach als auch über das Internet an. Er ist per E-Mail erreichbar.

 

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