Persönlichkeitsentwicklung
11. Februar 2024

Wut hinterlässt bleibende Spuren

Von
 

Es gibt eine alte Geschichte von einem Vater, der seinem Sohn beibringen wollte, wie wichtig es ist, sein Temperament unter Kontrolle zu bringen.

Er gab seinem Sohn eine Tüte voll mit Nägeln und sagte ihm, er solle immer dann einen Nagel in den Holzzaun schlagen, wenn er wütend sei.

Zunächst schlug der Junge jeden Tag viele Nägel ins Holz. Als er sich durch die Übung aber seiner Wut zunehmend bewusster wurde, verlor er immer seltener die Beherrschung.

Sein Vater sagte ihm dann, er solle jeden Tag, der ohne einen Wutausbruch vergeht, einen Nagel entfernen.

Als der Junge alle Nägel entfernt hatte, nahm ihn sein Vater mit zum Zaun, zeigte auf die löchrigen Latten und sagte: „Wenn du in Versuchung gerätst, zu deinen alten Gewohnheiten zurückzukehren, dann denke an diese Löcher. Auch wenn du die Nägel herausgezogen hast, können die Löcher nicht repariert werden. Genauso kann Wut einen Schaden anrichten, der nie wieder rückgängig gemacht werden kann.“

Diese Wahrheit ist schwer zu ertragen, aber wir alle haben sie schon erlebt.

Nachdem Sie beispielsweise Ihr Kind mit Kritik überschüttet haben, versuchen Sie sich zu rechtfertigen und die Kritik abzuschwächen, indem Sie sagen, dass Sie überarbeitet und gestresst gewesen seien. Aber Ihr Kind nimmt diesen Zusammenhang nicht wahr, und zehn, zwanzig, dreißig Jahre später wird es immer noch in Vergessenheit geraten sein, während der Stachel Ihrer Worte unauslöschlich bleibt.

Wenn Sie eine Schwachstelle, die Ihr Partner mit Ihnen geteilt hat, zu einer Waffe gemacht haben, indem Sie etwas, das einst dazu beigetragen hat, Vertrauen aufzubauen, in einen perfekt gezielten Widerhaken verwandelt haben, der Ihre Wertschätzung zerstört, bitten Sie um Vergebung, dass Sie sich einem solch unbedachten Impuls hingegeben haben. Aber es wurde eine Wunde aufgerissen, die sich nie ganz schließen wird.

Reue ist definitiv wichtig. Ein verändertes Verhalten kann Vertrauen wiederherstellen. Aber keine noch so gute Ausrede oder Entschuldigung kann die wütenden, ein Loch verursachenden Worte wieder gut machen.

Zuerst erschienen auf The Art of Manliness.

 

27. April 2020

Über das Leiden

Von
 

Die erste der so genannten Vier Edlen Wahrheiten des Buddhismus besagt: Das Leben ist leidvoll.

Der Buddha war nicht daran interessiert, eine Religion zu gründen, die auf positivem Denken oder Dogmen basiert. Sein Ansatz war psychologischer Natur: Er wollte Menschen dazu ermuntern, genau hinzusehen, was in ihrem Denken und in ihrem Herzen passiert — indem sie genau beobachten und zuhören, was ihnen ihr eigenes Erleben sagt. Es ging ihm nicht darum, Glaubenssätze zu übernehmen, die andere Leute vorgaben.

Wie heutige Psychotherapeuten war der Buddha daran interessiert, herauszufinden, wie wir innere Freiheit finden können — damit wir ein Leben mit mehr Freude und besseren Beziehungen führen können, das auf Wahrheit, Weisheit und Mitgefühl basiert.

Der erste Schritt dahin ist, zu erkennen, dass Leiden und Enttäuschungen zum Leben dazu gehören. Wir können und sollen es nicht loswerden. Aber wir können lernen, damit umzugehen.

Wenn wir aber nicht mehr auf unsere wahren Gefühle und Bedürfnisse acht geben, beginnen wir, die Gefühle anderer zu verurteilen. Wir machen uns lustig darüber, dass andere ihre ursprüngliche menschliche Verletzlichkeit noch immer nicht aufgegeben haben. Sie sollen sich selbst aus dem Sumpf ziehen, genau wie wir es mussten.

Wenn wir es selbst nie bekommen haben, beginnen wir, zu glauben, dass das Bedürfnis nach Wärme, Trost, Empathie, Geborgenheit und Rücksicht auf unsere Gefühle und Bedürfnisse nur etwas für Kinder sei, oder für Menschen, die nie erwachsen geworden sind. Wir beginnen zu glauben, dass man seine ureigenste menschliche Schwäche irgendwie ablegen, aus ihr er-wachsen könne und müsse.

In dem Moment, in dem wir unsere sensibleren Gefühle ablehnen — wie Trauer, Schmerz oder Angst — haben wir das Mitgefühl für uns selbst verloren. Aber nur wer Mitgefühl für sich selbst aufbringt, kann auch Mitgefühl für andere aufbringen.

Vielen Führungspersönlichkeiten heutzutage mangelt es an Empathie für andere. Statt an einem mitfühlenden Dienst an der Gesellschaft interessiert zu sein, streben sie nach persönlicher Macht, nach Reichtum oder gieren nach Zustimmung.

Mitgefühl entsteht, wenn wir uns und unser Erleben so annehmen, wie es ist. Manchmal geht es uns besser, manchmal schlechter. Unser Leiden ist aber nichts, wofür wir uns schämen müssen, da wir alle es teilen.

Die buddhistische Psychologie lehrt, dass der innere Friede und der Weltfriede mit jedem Einzelnen beginnt, der bereit ist, mit freundlichen Augen auf sein eigenes Erleben zu schauen. Denn das Leiden abzulehnen erzeugt noch mehr Leid.

(Frei übersetzt)

 

13. März 2017

Selbstveränderung statt Weltverbesserung?

Von
 

Der Aufwand, den man [in einer Zeit der Selfies, der Optimierung und der Beschäftigung mit sich selbst] mit dem Bild und dem Entwurf von sich treibt, die Leidenschaft und die Zeit, die investiert werden, sind schon auffallend. Ich denke, dass sich da etwas staut, das ebenso gut der Weltveränderung zugutekommen könnte. Aber die Welt wirkt so schwierig und so komplex und scheint auch von selber zu laufen – da ist die Beschäftigung mit sich selbst ein bequemer Ausweg. In den späten 1960er-Jahren war das ganz anders: Da war mein Authentischsein eigentlich nur vor dem Hintergrund möglich, dass die Welt eine andere wird. Ich konnte in dieser als falsch betrachteten Welt kein Richtiger sein. Also musste ich mich mit anderen zusammentun, um gemeinsam das große Ganze zu verändern, damit man überhaupt dieses Ideal – sei du! – erreichen konnte. Wenn ich aber nicht mehr daran glaube, dass ich die falsche Welt zum Besseren ändern kann, dann fließen diese Energien in mein Projekt der Selbstveränderung.

Quelle: fluter Nr. 61, Identität, S. 8. Link.

 

28. November 2016

Extreme vermeiden für eine realistische Spiritualität

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

In diesem Video wird von Mönchen erzählt, die sich im Bestreben, sich ganz der spirituellen Welt zu öffnen, von der elektronischen Kommunikation komplett befreit haben. Was nachvollziehbar klingt und nach besonders guten, entschlossenen Praktizierenden aussehen mag, erscheint nur noch als Leichtsinn und sich selbst in Gefahr bringen, wenn man den Ausgang der Geschichte kennt: Die Mönche starben, weil sie keine Hilfe holen konnten, obwohl sie die Möglichkeit grundsätzlich gehabt hätten, wenn sie ein Telefon mitgenommen hätten.

Ein wichtiger Satz im Video lautet daher auch: Um wirklich spirituell zu sein, muss man realistisch sein.

Was würde Gott sagen, wenn man ihn fragen würde, warum er diese Mönche hat sterben lassen? Vermutlich würde er sagen, was auch jeder Mensch sagen würde: Warum haben sie denn kein Handy mitgenommen, um Hilfe holen zu können?

Die wahre spirituelle Übung hätte doch auch darin bestehen können, Disziplin zu üben, also spirituell zu sein, gerne auch in der Abgeschiedenheit, und dabei dem Drang zu widerstehen, ständig zu telefonieren, um sich abzulenken.

Natürlich hilft Abgeschiedenheit dabei, sich neu zu fokussieren, aber wirklichen Nutzen können wir aus unserer spirituellen Praxis doch nur ziehen, wenn wir sie auch im Alltag anwenden können — inmitten all der Unwägbarkeiten des Lebens, nicht nur in völliger Abgeschiedenheit.

 

6. Juni 2016

Kontrolle zurück erlangen, Grenzen setzen

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Steve Pavlina hat in seinem 43. Newsletter folgendes geschrieben:

Many times people end up in stressful situations because they’ve maintained low personal standards. They let other people talk down to them, treat them unfairly and disrespectfully, and take advantage of them. They’re willing to trade their dignity and self-respect for a job, an income, a place to live, a family, etc. But in the end, these decisions so often lead to high stress and a feeling of not being in control. And that loss of self-control ages and kills people much faster. (…) If you find yourself in a stressful situation, then perhaps it’s time to start taking some control back. Raise your standards about what’s acceptable to you in terms of how you’re treated, how you’re willing to invest your precious time, and how you want your physical environment to be maintained. Communicate these standards to others, and if they don’t cooperate, stop dealing with them.

Erst jetzt, wo jemand anderes darüber geschrieben hat, ist mir aufgefallen, was ich in letzter Zeit intensiv tue und auch nicht mehr missen möchte:

Ich habe aktiv die Kontrolle über mein Leben übernommen und ich bestimme, was für mich gut ist und was nicht. Und was nicht gut für mich ist lasse ich gehen.

So war es in letzter Zeit mit Tätigkeiten, Freunden, Verwandten. Ich habe Dinge nicht getan, obwohl es Geld und Bekanntheit gebracht hätte, weil es sich für mich nicht stimmig angefühlt hat.

Ich habe auch gelernt, und bin noch immer dabei (denn das hört nie auf), fleißig Grenzen zu setzen.

Vor nicht all zu langer Zeit dachte ich ich müsste quasi 100% flexibel sein und allen tatsächlichen oder eingebildeten Anforderungen, die an mich gestellt werden, nachkommen – vielleicht weil ich dachte, dass Unflexibilität eine Schwäche oder Unzulänglichkeit ist.

Und dann begann ich damit zu experimentieren. Was, wenn ich mir dieses und jenes nicht gefallen lasse? Was, wenn ich etwas mache, was ich sonst nie gemacht hätte? Was, wenn ich etwas nicht (mehr) mache, was ich sonst immer gemacht habe? Was, wenn ich mich einfach ein bisschen “gehen lasse” statt an mich selbst einen 100%-Maßstab anzulegen während alle anderen um mich herum machen was sie wollen und sich überhaupt nicht darum scheren wie ich das finde?

Ich darf auch einmal nicht perfekt sein. Ich muss nicht immer funktionieren wie man es von mir erwartet oder wie ich glaube, dass man es von mir erwartet. Ich darf sogar komplett ausfallen.

Ich darf meine Meinung jederzeit frei äußern und sagen was mir durch den Kopf geht, auch wenn es in der Konsequenz dazu führt, dass sich jemand auf den Schlips getreten fühlt. Er wird es überleben. Vielleicht hat er förmlich darum gebeten, dass man ihm eine Grenze aufzeigt. Manche Menschen brauchen andere Menschen, die ihnen Grenzen aufzeigen, weil sie sich selbst zu wenig reflektieren können.

Wenn Sie ungerecht behandelt werden, protestieren Sie. Lernen Sie, Ihre ehrliche Meinung immer und überall zu sagen, und Sie werden sehen, dass Ihr Leben am Ende ruhiger verläuft. Wenn andere Leute Sie nicht mehr bevormunden können, oder Ihnen “Geheimnisse” anvertrauen können, die letzten Endes anderen Menschen schaden, plaudern Sie sie aus. Wenn Ihnen jemand ein Geheimnis anvertrauen will, und Sie somit zum Komplizen machen, sagen Sie, Sie werden es ausplaudern. Wer das nicht möchte, soll es Ihnen bitte nicht anvertrauen.

Artikel verfasst Anfang Dezember 2012.

 

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