Psychologie
14. Oktober 2012

Die Psychopathologie der Massen

Von Alexander Rubenbauer, Nürnberg
 

Anregungen für diese Form einer systematischen Massenbeeinflussung holte Hitler sich unter anderem aus dem Buch Psychologie der Massen (1895) von Gustave Le Bon. Er schreibt in “Mein Kampf”: “In der Massenversammlung erhält der sich einsam und allein fühlende Mensch zum ersten Mal das Bild einer größeren Gemeinschaft. Wenn ein einzelner Mensch, der sich an seiner Arbeitsstätte recht klein fühlt, zum ersten Male in die Massenversammlung hereintritt und nun Tausende von Menschen gleicher Gesinnung um sich hat, wenn er als Suchender in die gewaltige Wirkung der suggestiven Begeisterung von mehreren Tausend mitgerissen wird, wenn die sichtbare Zustimmung von Tausenden ihm die Richtigkeit der neuen Lehre bestätigen, dann unterliegt er selbst dem zauberhaften Einfluss der Massensuggestion.” In dieser bewusst und zielgerichtet eingesetzten Massenpsychologie lag ein Schlüssel zum Erfolg der NS-Propaganda.1

Ich wusste nicht, dass es das Buch “Psychologie der Massen” bereits vor Hitler gab und er sich daraus Inspiration geholt hat. Was er da schreibt klingt jedenfalls einleuchtend.

Generell ist der Nationalsozialismus aus psychologischer Sicht sehr ergiebig. Ich weiß leider gerade nicht mehr, wer das erzählt hat, aber sobald bekannt wurde, dass es keinen “Führer” mehr gab, war der Wahnsinn von einem Moment auf den anderen zu Ende und es kehrte gewissermaßen Frieden ein. Das Menschliche kehrte zurück.

Wie kann man sich diesen Gesinnungswandel von einer Sekunde auf die andere erklären?

Der Führerkult sorgte dafür, dass buchstäblich blindes Vertrauen in die Kompetenz des “Führers” erzeugt wurde. “Führer befiehl, wir folgen” wurde zu einem viel verwendeten Slogan. So verschwiegen hochrangige NS-Politiker wie Hermann Göring ihre Zweifel an bestimmten politischen Vorhaben weniger aus Angst vor Denunziation, als vielmehr aus übersteigerter Identifikation mit der allmächtigen Vaterfigur. So formulierte Göring einst: “Ich habe kein Gewissen, Adolf Hitler ist mein Gewissen”.1

Dieses massenhafte Abtreten der Verantwortung an einen Menschen, der bedauerlicherweise überhaupt kein Gewissen hat, ist die Antwort darauf.

Durch die Psychologie der Massen konnte man sagen, dass es gesellschaftlich erwünscht ist, was man gerade macht (oder unterlässt), und durch den Führerkult wurde sichergestellt, dass schließlich der “Führer” dafür verantwortlich ist.

Er hätte ja gesagt man soll das machen, er pflegt stellvertretend für mich mein Gewissen, ich muss also nicht mehr nachdenken, was mir aufgrund der Psychologie der Massen auch nur massive Schmerzen und gesellschaftliche Probleme bereiten würde, sollte ich anfangen Fragen stellen und aus der Reihe zu tanzen.

In dem Moment, als es keinen “Führer” mehr gab (der aufgrund der enormen Konzentration auf diese eine Person auch nicht einfach durch einen Stellvertreter ersetzt werden konnte) war das Volk gezwungen, die eigenen Handlungen wieder mit dem eigenen Gewissen statt dem des “Führers” abzugleichen, was ein Fortführen der Gräueltaten ungleich schwerer machte.

1 Material aus Wikipedia.

 

Über den Autor
Alexander Rubenbauer ist Psychologe (M. Sc.) und Psychologischer Psychotherapeut. Er bietet Psychotherapie sowohl persönlich in Herrieden bei Ansbach als auch über das Internet an. Er ist per E-Mail erreichbar.

 

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